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Nymphenbad am Dresdner Zwinger. Kupferstich nach Matthäus Daniel Pöppelmann aus dem Zwinger-Stichwerk, 1729
Foto: KHI (Kulturhistorisches Institut der FU Berlin)

Von Kunst-Wassern, Grotten-Sälen
und Badegemächern

Wasserfreuden in der Schloss- und Gartenbaukunst der Frühen Neuzeit


von Martin Pozsgai

Seit der Frühen Neuzeit regte das Wasser Fürsten, Architekten und Baumeister zu immer ausgefeilteren Wasserspielen an. Die antike Freude an Brunnen nahmen Kirchenfürsten der Renaissance erneut auf, die sich für ihre Landsitze Bäder, Grotten und Wasserspiele von Architekten bauen ließen. Der Kunsthistoriker Martin Pozsgai begibt sich in seinem Artikel auf Entdeckungsreise durch eine Garten- und Schlösserlandschaft, in der die Bedeutung des Wassers im Laufe der Jahrhunderte variierte.

Seit dem Altertum begleiten die Freuden des Wassers die Lebenswelt des Menschen. Nymphäen, die Heiligtümer der Quellgötter, waren in der Antike Ausdruck einer Verehrung des Lebenselementes Wasser. Das Wasser ist Voraussetzung für jede Siedlung; es füllte die Brunnen und Thermen der Städte und wurde in die Bäder der Stadtpaläste und die Wasserspiele der Villen auf dem Land geleitet. Seit der Frühen Neuzeit erfuhren Wasserfreuden erneut besondere Aufmerksamkeit. Die Errichtung von Wasserspielen, Grotten und Bädern beschäftigte Architekten, und Künstler besorgten ihre Ausgestaltung. Das Spiel der Wasserstrahlen galt als eine bedeutende schöpferische Aufgabe, die Kenntnisse der Brunnenkunst bei der Zuführung des Wassers, der Verteilung innerhalb der Anlagen und der Formung der Wasserbilder verlangte. Wegbereiter waren die Kirchenfürsten der italienischen Renaissance, die nicht zuletzt durch die Instandsetzung antiker Aquädukte die Grundlage für eine gesicherte Wasserversorgung in Rom geschaffen hatten.

Für Rom mussten Wasserleitungen gebaut werden, deren Endpunkte prachtvolle Brunnen und Wasserspiele im Stadtbild betonten. Bei der Wahl der Landsitze wurde von Architekten auf besonders wasserreiche Orte geachtet. In Tivoli, wo schon die Kaiser Trajan und Hadrian Villen besaßen, ließ sich Kardinal Ippolito d’Este von 1550 bis 1572 einen Landsitz mit ausgedehnter Gartenanlage errichten. Die dort vorhandenen großen Wassermengen der Albaner Berge und das starke Gefälle ermöglichten Wasserspiele, wie sie in dieser Fülle einmalig waren. Über mehrere Terrassen erstreckt sich die Anlage, als deren Architekt Pirro Ligorio verantwortlich zeichnete. Auf den Terrassenstufen sind in den Futtermauern Grotten ausgestaltet und mit Statuen versehen worden. Die Grotte der Diana ziert Rustikamosaik aus eingelegten kleinen, oft ungeschliffenen Steinen, Grottenwerk aus Tuffstein, glasierte Keramik, bemaltes Glas und Marmorverkleidung – im 16. und 17. Jahrhundert typische Elemente für die Auszierung dieser Räume. Architekten legten Grotten zuerst in den großen Villengärten an. Sie galten in der Renaissance als kühler Sommeraufenthalt all’antica. Die Vielfalt der Wasserbilder der Villa d’Este wurde durch besonders bearbeitete Düsen, Mundstücke und Überlaufkanten erzeugt. Die Bedeutung der Konstruktion des Wasseraustritts war aus der Antike bekannt und wurde in der Frühen Neuzeit verfeinert. Zum Regenschleier der Kaskaden gesellten sich Wassergewölbe über Fischteichen, zum hohen Wasserstrahl die Springbrunnen verschiedener Höhe, Stärke und Richtungen. Das Murmeln, Plätschern und Rauschen der vielfältigen Wasserspiele sorgte neben der angenehmen Kühlung und Frische für die verschiedensten Klangbilder, die nur noch von den Melodien der Wasserorgel übertroffen wurden (die Kaskadenanlage unterhalb der Orgel wurde 1661 von Gianlorenzo Bernini umgestaltet und 1927 um die Fontänen ergänzt).


Terrassenkaskade unterhalb der Wasserorgel
im Garten der Villa d’Este in Tivoli


Diese 1566 bis 1570 erbaute und unter Kardinal Alessandro d’Este wesentlich erweiterte Wasserorgel war eine Art hydraulische Anlage, deren Konstruktion bereits in der Antike erfunden worden war. Hinter der Fassade versteckte Druckkammern wurden mit Wasser angefüllt und die zusammengepresste Luft den Orgelpfeifen zugeleitet. Eine Klaviatur, die Impulse von einer mit Stiften bestückten Walze empfingen, bediente die Ventile, so dass die Orgelpfeifen immer die selbe Melodie spielten. Ein ganz ähnlich konstruierter Automat im so genannten Vogelsangbrunnen – wie die Wasserorgel wohl von Luca Chierico Fontaniere 1566 geschaffen – konnte Vogelstimmen nachahmen.

Die Eindrücke einer Italienreise des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel 1699 bis 1700 mit Stationen in Tivoli und Frascati inspirierten ihn für weit reichende Planungen auf dem Hochland des Habichtswaldes bei Kassel. Sein Reisetagebuch mutet wie eine Motivsammlung für den später so genannten Karlsberg an.

Das prominenteste Element des im Wortsinne groß angelegten Gartens ist die Kaskadenanlage mit dem bekrönenden Oktogon samt Wasserbehälter. Flankierende Treppen, Wasserspiele, Grotten und Wasserorgeln komplettieren die grandiose Anlage. Der italienische Architekt Giovanni Francesco Guerniero hatte die Entwürfe geliefert, nach denen die Arbeiten 1701 auf dem Berg begonnen und bis 1714 ausgeführt wurden – allerdings nur zu einem Drittel. Auch ohne die Herrscherpersonifikation aber, die der 1717 auf einer Pyramide über dem Oktogon errichtete kupferne Kolossalherkules darstellte, versinnbildlichte die raumgreifende und weithin sichtbare Kaskadenanlage, der alles untergeordnet zu sein schien, zweifelsfrei die Macht des Landesherrn.

Der rund fünfzig Jahre früher von 1656 bis 1659 nach dem Entwurf von André Le Nôtre ausgeführte Garten Vaux-le-Vicomte zählt mit dem zeitgleichen Schlossbau zu den Inkunabeln der Kunstgeschichte.

Er ist auf einen Blick und von einem Punkt aus – von der Terrasse vor dem Saal des Schlosses – in allen seinen wesentlichen Teilen überschaubar. Der längs der Hauptachse an einem sanften Abhang angelegte Garten ist in ein oberes und unteres Parterre gegliedert. Kanäle bestimmen zwei Querachsen, deren Schnittpunkte mit der Hauptachse durch Bassins mit Fontänen markiert werden. Alle Becken des Gartens wirken der perspektivischen Verkürzung entgegen, indem sie zunehmend größere Flächen einnehmen. So erscheint jedes Bassin für die Wahrnehmung gleichwertig. Ihre Wirkung wird durch Spiegeleffekte verstärkt, denn in den Wasserflächen der Kanäle spiegeln sich Landschaft, Himmel und Architektur. Die Hauptachse geht nach dem zweiten quer verlaufenden Kanal und nach dem großen Wasserbecken mit der Kaskaden- und Grottenanlage in die Parklandschaft über. Diese weiten Perspektiven rhythmisierte Le Nôtre mit Hilfe des Wasserschmucks, dessen immanenter Ornamentcharakter zurückgenommen wurde, und gab ihnen in Gestalt großer Flächen einen formalen Abschluss.


Schlossgarten von Vaux-le-Victome

Im 17. Jahrhundert waren Kaskaden nicht nur in der französischen Gartenkunst ein gängiges Ausstattungselement geworden. Der in Paris ausgebildete Architekt Daniel Marot, der in Diensten des niederländischen Statthalters Wilhelm III. (seit 1689 König von England) stand, hatte in seine Gartenentwürfe für Het Loo Wandkaskaden mit mehreren Schalen integriert, die als Blickpunkte der mittleren Querachse an den Terrassenböschungen angebracht und von Treillagearchitektur hinterfangen worden waren.

Der Architekturtheoretiker Leonhard Christoph Sturm beschrieb sie nach einem Besuch 1697 folgendermaßen: „Diese Carcaden, welche so accurat gemachet sind, als ich irgendswo dergleichen etwas gefunden, indem sich das abfallende Wasser recht als Glass über seine Becken hinunter ausbreitet. Es fället das Wasser unten in ein gross Bassin. Auf den mittlern kleinen Bassin, woraus der letzte und grösseste Abfall in das grosse ist, stehet an der einen Seite Narcissus, an der andern Seite sitzet Amphion von Marmor gehauen.“ Die Schwellen der Kaskaden waren so konstruiert worden, dass das überlaufende Wasser täuschend echt den Eindruck einer Fensterfläche „als Glass“ erweckt hat. In der großartigen Gartenanlage des Versailler Schlosses, ab 1661 sukzessive aus- und umgebaut, war das Bosquet des Trois Fontaines ein besonderes Kleinod der Brunnenkunst.

Ludwig XIV. ließ 1677 bis 1679 in einem Boskett nördlich des Schlosses anstelle des dortigen Wassergewölbes, des Berceau d’eau, durch André Le Nôtre und die Brüder Francine eine Folge von Wasserspielen gestalten. Die drei Brunnen – alle rein hydraulisch – in einem runden, viereckigen und achteckigen Becken spritzten auf Terrassen, die durch kleine Kaskaden und Treppenanlagen verbunden waren. Sie sind ein schönes Beispiel der technischen Möglichkeiten, vielfältige und kunstvolle Wasserbilder zu formen. Aus diesem Grund verzichtete man in dem Boskett auch auf schmückende Gartenskulpturen. Das Wasser für den temporären Betrieb der zahllosen Brunnen in Versailles war erst ab 1685 sichergestellt. In diesem Jahr war die riesenhafte Wasserhebemaschine in Marly fertig gestellt worden, die große Massen Wasser aus der Seine in die Wasserzuleitungen schöpfen konnte.

Die Kanäle, die in Versailles – wie bereits in Vaux-le-Vicomte – angelegt wurden, dienten bald den Prunkschifffahrten, den Wasserkämpfen und anderen nassen Vergnügen. Das Gondelfahren wurde derart beliebt, dass sich venezianische Gondoliere ansiedeln konnten. In Bayern hatte der Wasserreichtum am Ende des 17. Jahrhunderts ebenfalls zum Bau eines Kanalsystems geführt. Bei der Anlage der Schlösser Schleißheim und Nymphenburg waren schiffbare Kanäle gegraben worden, die aus den Flüssen Würm, Isar und Amper gespeist wurden. Sie dienten dem Hof als Verkehrswege und waren Voraussetzung für den Betrieb der Wasserspiele in den Gärten. Wie in Versailles gab es bereits 1690 Gondoliere, die eine Flotte prunkvoller Lustgondeln zu betreuen hatten. Die Schiffe, so berichtet der Hofprediger Pierre de Bretagne 1723, sind „ebenso gemacht wie in Holland, Venedig, und zu Versailles zu seyn pflegen, innewendig mit Tapeten, Sesseln, und Carmesin-rothen und mit Goldbordirten Vorhängen gezieret, von außen aber mit allerhand Gemählten von See-Sachen ... nach Art eines Kriegs-Schiffs. Auf diesem Canal aber, welcher den Parc und das Schloß Schleißheim umgibt, kann man von München nach Dachau fahren.“ Auch die Höfe in Dresden und in Berlin konnten um 1700 Prunkschiffe vorweisen, die die Flussläufe von Elbe, Spree und Havel nutzten.

Besaßen die Gärten in Tivoli, Kassel, Vaux-le-Vicomte und auch Versailles Terrassen an einem mehr oder weniger starken Abhang, so lagen Schleißheim und Nymphenburg in vollkommen flachem Land. Und doch gelang es Joseph Effner, in Nymphenburg eine Wassertreppe zu konzipieren, die den Namen „Große Kaskade“ mit Recht trägt.

Sie wurde nach seinen Entwürfen 1717 angelegt und ist der Blickpunkt am Ende des Gartens. Horizontal entwickelt, ergießt sich das Wasser aus dem Würmkanal in drei breiten und konvexen Fällen: Zuerst in kleinere Zwischenbecken – von denen das mittlere einen elliptischen Grundriss hat, wodurch die konkaven und konvexen Fälle einen reizvollen Kontrast bilden – und weiter in das große untere Bassin. Von dort aus gelangt es in die dominante Mittelachse des Parks, den Großen Kanal, der sich schließlich zweiteilt und Parterre und Schloss umfließt. Die als verbindendes Element zur Landschaft am Rand des Gartens errichtete Große Kaskade, die zunächst als Holzkonstruktion ausgeführt war, wurde 1769 mit einer Marmorverkleidung versehen.

Die Verbindung mit der Sphäre des Wassers ist der Grottenarchitektur immanent; stilistische Bezüge zu antiken Badeanlagen sind seit dem 15. Jahrhundert, als in der Domus aurea noch die Anlagen der Titusthermen gesehen wurden, latent vorhanden. Im Grottenbau des 16. und 17. Jahrhunderts haben sich selbstständige Typen ausgebildet, die mit der Antike nur noch zitathaft verbunden waren; die Vielfalt der Erscheinungsformen im Innen- und Außenbau muss dennoch überraschen. Als Exempel seien die fünf Grotten im Erdgeschoss des Schlosses Hellbrunn herangezogen. Schloss und Garten Hellbrunn mit zahllosen Brunnen und Wasserspielen ließ sich der Erzbischof von Salzburg, Marcus Sitticus, 1613 bis 1615 durch Santino Solari bauen. In der Vogelsanggrotte, deren Wände und Gewölbe gänzlich mit Tuffstein, Perlmutt und Schnecken belegt sind, scheint es, als würde der Tuffstein herabfallen. In dieser Grotte ertönen die bereits aus Tivoli bekannten Vogelimitationen aus einem Wasserautomat.

In der Ruinengrotte sind die Mauern und Gewölbe zum großen Teil geborsten, ragen durch ein Loch in der Decke morsche Bretter herein, drohen Ziegel herunterzufallen. Der Anblick des scheinbar zusammenstürzenden Ruinenraumes verursacht blankes Entsetzen. Und schließlich überraschen Scherzwasser den Besucher – in der zentralen Neptungrotte kann durch unzählige Wasserröhrchen in der Decke künstlicher Regen erzeugt werden. Freude und Schreck liegen in diesen Räumen nahe beieinander, bedingen einander geradezu. Die in Architektur und Dekoration aufwendigsten Hellbrunner Grotten liegen an zentraler und künstlerisch motivierter Stelle, in der Mittelachse der Gesamtanlage im Erdgeschoss des Schlosses. Sie sind die unmittelbaren Vorgänger der Sala terrena.

Die Sala terrena als Raumtyp breitete sich letztlich nur im deutschsprachigen Bereich aus. Erstmals in Salzdahlum fassbar, erfuhr sie in Schloss Pommersfelden ihren architektonischen und gestalterischen Höhepunkt. Nahezu kanonisch in der Hauptachse unter dem Saal gelegen, öffnet sich die Sala terrena in der Regel nach zwei Seiten – zum Garten sowie zum Vestibül oder Treppenhaus – und besitzt eine herausgehobene Raumform. Die Tafel 14 aus dem 1728 erschienenen Stichwerk „Wahrhaffte Vorstellung beyder Hoch-Gräffl. Schlösser Weissenstein ob Pommersfeld und Geibach“ zeigt eine Ansicht des Raumes und ist bezeichnet als „Prospect der Sala terrena“ – der Begriff ist demnach ein historischer.

Salomon Kleiner hatte seine Vorzeichnung zum Stich hingegen ausführlicher beschriftet: „Perspectivischer Aufzug des auf dem Hoch-Gräfflichen Schönbornischen Schloss Weissenstein ob Pommersfelden sich befindeden Grotten-Sahls, sonsten der Sale terain genant, in welchem gegen der Thür-Seiten von Gips die vier Elementern gearbeitet, auch in denen vier Bilder-Blenden Fontainen, Wasen, mit springsdem, falleden und verborgenen Wasern stehen, welche Fontaine und Vasen nebst den Gang- und Wand-Fenstern, Camine, Thüren, sambt dem völligen Sahl, mit mancherley Meer-Muscheln, Corallen, Schnecken, Vögel, Fische, Orange-Bäumern, Spigel, Chinesischen Figuren groß und kleine Mahlereyen in Fresco, und Stukador-Arbeit aufs artigste und netteste ausgezieret und verfertiget seynd.“ Georg Hennicke hatte die Grottierarbeiten ausgeführt, die der Bauherr Lothar Franz von Schönborn einmal als „crottesquen arbeith“ bezeichnete.

Ein Grottensaal ganz eigener Art wurde am Französischen Pavillon des Dresdner Zwingers verwirklicht. Das Nymphenbad, 1710 durch Matthäus Daniel Pöppelmann begonnen, ist sowohl vom Hof aus als auch von außen zunächst nicht sichtbar. Der Besucher nimmt beim Herannahen erst das Wasser akustisch wahr und zu seiner Verblüffung öffnet sich ihm dann ein quadratischer Saal im Freien, von Nischenwänden eingefasst, deren Pilaster Tuffsteinbänder zieren. In den Nischen an der Nord- und Südseite sind Nymphenfiguren aufgestellt und ein reich konturiertes Becken mit Springstrahlen ist in den Boden eingelassen. Gegenüber dem Pavillon stürzt eine Kaskade in die Tiefe, Delphine und Tritonen schleudern ihr das Wasser wieder entgegen. Zu Seiten der Kaskade führen Schachttreppen nach oben zu einem Brunnen auf dem Wall, der zugleich die Kaskade krönt und speist. Die akustische Wasserinszenierung überrascht hier erneut: Auf dem Wall vernimmt der Besucher das Rauschen der Fontäne; steigt er in einen der Treppenschächte, hört er es plötzlich von beiden Seiten; mit jedem Schritt in die Tiefe wird es stärker, anziehender – bis er ebenerdig die Kaskade erblickt. Als „Bad der Nymphen“ blieb die Dresdner Architektur einmalig, luxuriöse Bäder hingegen hat es seit der Renaissance immer wieder gegeben. Bereits im Altertum gehörten private Badegemächer zu den Gepflogenheiten gesellschaftlicher Lebenshaltung.

Die Stufetta des Kardinals Bernardo Bibbiena im Vatikanischen Palast – ihren Ausbau leitete Raffael – ist ein erstes und aufschlussreiches Beispiel der Auseinandersetzung mit antiken Autoren einerseits und den Ruinen der Thermen in Rom andererseits (die Domus aurea galt als Titustherme).

Der Raum besaß offenbar keine fest installierte Badewanne, dafür aber eine von Vitruv in seinem Architekturtraktat erwähnte Hypokaustenheizung, was auf eine Nutzung als Schwitzbad hinweist. Weitergehende Einflüsse aus Vitruvs Beschreibungen sind nicht festzustellen. Die Wände zieren Grotteskenmalereien, und verschieden konturierte Felder gliedern das Gewölbe. Die Dekorationen, die 1516 von Giovanni da Udine geschaffen wurden, sind eindeutig von den um 1500 unterirdisch in der Domus aurea entdeckten Raumdekorationen aus Stuck und Malerei inspiriert, einzelne Motive direkt kopiert worden. Auch das Dekorationssystem des Gewölbes ist in der Volta dorata vorgebildet.

Eine Maison de plaisance für das fürstliche Bad war die Badenburg im Nymphenburger Schlossgarten, die 1718 bis 1722 nach Entwürfen von Joseph Effner erbaut wurde; die Bezeichnung Badenburg ist bereits zeitgenössisch belegt.


Badesaal der Badenburg im Nymphenburger Schlossgarten

Der ungewöhnlich große Badesaal im Inneren reicht durch zwei Geschosse. Das Badebecken im Untergeschoss war ursprünglich in seinem unteren Teil mit Blei belegt. Die Wandflächen über dem Wasserspiegel sind bis zur umlaufenden Galerie des oberen Raumes, die von Stuckkonsolen getragen wird, mit Fliesen verkleidet. Zwei vergoldete Delphinköpfe dienen als Wasserhähne. Das blau-weiße Becken bildet einen reizvollen Kontrast zur Wandverkleidung aus schwarzem und rötlichem Stuckmarmor oberhalb der Galerie. Fliesenschmuck besaßen traditionell islamische Bäder, erst Ende des 17. Jahrhunderts verbreitete er sich in europäischen Anlagen. Die Galerie um das große Wasserbecken lud zur Beobachtung der Badegesellschaft geradezu ein; sie hatte jedenfalls keine Verteilerfunktion in dem Gebäude. Das Schaubad konnte auch in einem zeremoniellen Zusammenhang genutzt werden.

In der Nachfolge des Effnerschen Baus entstand 1769 bis 1773 nach Entwürfen von Nicolas de Pigage das Badhaus im Schlosspark Schwetzingen als eigenständiger Pavillon.

Im Gegensatz zur Badenburg diente es aber eindeutig als persönliches Refugium des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz. Das vertiefte ovale Marmorbecken im Baderaum, das in eine Nische eingepasst ist, erhält sein Wasser aus den dekorativen Zuleitungen in Form von Schlangen und einem urnenartigem Krug. Ein stuckierter, in Falten geraffter Vorhang überzieht die Beckennische. Muschel- und Korallenstuckaturen, Kristalle und Tuffstein – diese Elemente der Wanddekoration sind der Grottenausstattung entlehnt.

Letztlich sind die Freuden des Wassers heute die gleichen wie die der Frühen Neuzeit oder des Altertums. Aufklärung und Moderne brachten lediglich einige Akzentverschiebungen mit sich. Denn wer kennt sie nicht, die Venusgrotte des Märchenkönigs in Linderhof, die untergegangene Titanic, die großen Massenbäder des 20. Jahrhunderts oder den „Wasserklops“ am Europa-Center in Berlin?

Literatur

Albert Baur: Wasserspiele für Götter, Fürsten und Volk, München 1992

Heinz Biehn: Alte Badegemächer, Darmstadt (1964)

Elisabeth Herget: Die Sala terrena im deutschen Barock unter besonderer Berücksichtigung ihrer Entwicklung aus der abendländischen Grottenarchitektur, Dissertation, Frankfurt am Main 1954

Ulrika Kiby: Bäder und Badekultur in Orient und Okzident. Antike bis Spätbarock, Köln 1995

Isabella Lapi Ballerini u. a. (Hrsg.): Artifici d’acque e giardini. La cultura delle grotte e dei ninfei in Italia e in Europa. Akten der Konferenz Florenz und Lucca 1998, Florenz 1999

Elisabeth B. MacDougall (Hrsg.): Fons sapientiae. Renaissance Garden Fountains. Akten des Dumbarton Oaks Colloquium 1977, Washington 1978 (Dumbarton Oaks Colloquium on the History of Landscape Architecture 5)

Barbara Rietzsch: Künstliche Grotten des 16. und 17. Jahrhunderts. Formen der Gestaltung von Außenbau und Innenraum an Beispielen in Italien, Frankreich und Deutschland, München 1987 (Beiträge zur Kunstwissenschaft 17)

Gerold Weber: Brunnen und Wasserkünste in Frankreich im Zeitalter von Louis XIV. Mit einem typengeschichtlichen Überblick über die französischen Brunnen ab 1500, Worms 1985 (Grüne Reihe. Quellen und Forschungen zur Gartenkunst 8)


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