FU Berlin

Bild: KHI

 

Der Triumph des Todes

Der Schwarze Tod der Zeit um 1350 oder wie Kunst auf aktuellen Schrecken reagiert

Prof. Dr. Eberhard König

Die ältere Kunst ist darauf angelegt, ausgewählte Momente zu verewigen. Schon dadurch, dass sie ihren Gegenständen Dauer verleiht, reißt sie sie aus der Vergänglichkeit von Tod und Sterben, schreibt sie ins Leben und damit eher in den Triumph über den Tod. In der europäischen Tradition hat sie sich von Anfang an mit der christlichen Lehre verbündet, die in ihrem Kern darauf beruht, dass Jesus gestorben, begraben, niedergefahren zur Hölle, am dritten Tage aber wieder auferstanden ist. Auferstehung und nicht Tod triumphiert deshalb letztlich überall.

Das gilt selbst für jene mittelalterliche Dichtung, die den Triumph des Todes nach dem Schwarzen Tod der Jahre 1347-53 am eindrücklichsten ins Bewusstsein eingeschrieben hat: In seinem Spätwerk, den Trionfi, schreitet Francesco Petrarca (1304 – 1374) von der Liebe zu Laura über deren Keuschheit und Tod zu Ruhm, Zeit und Ewigkeit. Er verharrt ebenso wenig wie die Illustratoren seines Textes beim Tode, sondern räumt der christlichen Gottheit den letzten und endgültigen Sieg ein. Formuliert wurde der Text nach der Großen Pest; doch hätte es derer gar nicht bedurft, um den grundliegenden Duktus aus Liebe, Tod und Ruhm, Keuschheit, Zeit und Ewigkeit zu formen.
Trotz der umwälzenden Erfahrung der europaweiten Epidemie der Jahre kurz vor 1350 drückt Petrarca aus, was letztlich die ganze christliche Auseinandersetzung mit dem Sterben bestimmt: Der Tod wird begriffen als Übergang in eine andere Welt; nicht der Verlust des Lebens löst die eigentliche Angst auf dem Totenbett aus, Schrecken macht der Eintritt ins Jenseits, weil danach das Gericht droht. Den Gerechten aber – und wegen ihrer Keuschheit gehört Laura zu ihnen – ist der frühe Tod deshalb recht. Rasche Verwesung bedeutet schnelle Trennung des Fleischs von den Knochen, ist Erleichterung der Seele, die vom Körper nur beschwert ist.

Bilder dieser Triumphe setzen erst Generationen später ein; und denen, die man dann gemalt hat, fehlt alle Anschaulichkeit; denn so wenig wie der Autor auf die Einzelheiten der Epidemie, die er selbst erlebt hat, eingeht, so wenig stellen sich auch die Maler dem Entsetzen. Die Dichtung gibt ihrer Kunst bereits vor, dass man solch ein Ereignis allegorisch fassen kann; und deshalb schreitet man den vorbestimmten Pfad weiter, indem man dem Tod selbst eine Gestalt gibt, das Sterben selbst aber wie Versinken in Schlaf schildert (siehe Aufmacherfoto).

Das Sterben selbst

Selbstverständlich konnte ein solches Denken angesichts des Grauens, das die Pestepidemien über Europa brachten, nicht überall durchgehalten werden. Flucht vor dem Tod – und damit eine entschiedene Abkehr vom christlichen Blick auf das Sterben – bestimmt das Dekameron von Giovanni Boccaccio (1313–1375), das von allen zeitgenössischen literarischen Texten am deutlichsten auf den Einbruch der Seuche Bezug nimmt: Zehn vornehme junge Leute verabreden sich in der grössten Dominikanerkirche von Florenz, Santa Maria Novella, um vor der Pest in ländliche Einsamkeit zu fliehen. Die Predigermönche, die als „Hunde des Herrn“ über die Rechtgläubigkeit wachen, bieten nur einen idealen Ort, an dem junge Männer und Frauen ungestört miteinander reden können. Draußen auf dem Lande suchen die zehn nur den angenehmen Ort, den „locus amoenus“, und nicht die Einsamkeit christlicher Läuterung. Geschichten von oft dreister Lebensfreude erzählen sie sich fern der Welt, die von der Epidemie erschüttert wird.

In diesem Kontext hat man die Pest geschildert, freilich nicht allein, sondern als Gegenbild zu dem, was die Gesellschaft vorhat.


Die Pestseuche des Jahres 1348, Boccaccio, Dekameron, Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. Ital. 482, fol. 6

Leichenberge veranschaulichen das Grauen, eher summarisch angedeutet als mit Symptomen der Krankheit. Auch solche Illustrationen entstanden erst in geraumem Abstand zum Geschehen. Illustriert wurde der Text keineswegs schon zur Zeit, die der Autor schildert. Zeitliche Verzögerung tritt doppelt ein: Boccaccio mag um 1350 mit der Niederschrift begonnen haben; doch erst in den folgenden Jahrzehnten vollendete er sein Werk. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts entstanden die ersten Miniaturen zu seinem Dekameron, so dass die wenigen Bildquellen zur Großen Pest in dem neu aufgebrochenen Streit, welche Krankheit denn wirklich als Schwarzer Tod um 1350 ganz Europa verheerte, schon deshalb keinen Aussagewert haben.

Illustrationen zur Ausgangslage des Dekamerons sind überdies kleine Bilder in Büchern; die lebendigsten sind nur Zeichnungen, die ohne Farbe auskommen. Sie ordnen zu Leichenbergen eine scheinbar friedliche Szene um ein Bett und zeigen, dass sie nicht den Schwarzen Tod, sondern das Grundmotiv Sterben so darstellen, wie es vor und nach der Epidemie gezeigt wurde: Ein frommer Wunsch der Zeit blieb der würdige Abschied von den Verwandten, die sich ungeschützt um die Sterbenden versammelten. Auch das Leichenbegängnis ist keineswegs von der Angst der Ansteckung, sondern allein vom alten Brauch bestimmt.


Buffalmacco: Trionfo della morte, Fresko, Pisa, Camposanto

Dabei darf nicht verkannt werden, wie ältere Bilder entstanden: Maler zogen nicht als Sensationsreporter durch die Städte, um das Sterben ins Bild zu bannen. Genauso wie die Dichter ihre Worte nicht aus dem Stöhnen der Kranken und dem Todesschrei der Sterbenden ableiteten, sondern für das Grauen Begriffe gebrauchten, die nicht das Ereignis gebar, sondern die eine ältere Sprachtradition bereitstellte, waren die Maler auf Bildbegriffe angewiesen, die dem Schwarzen Tod vorausgingen.
Vergleicht man nun die wenigen Bilder zu Boccaccios Schilderungen der Pest, die 1348 in Florenz wütete, so wird deutlich, dass dem Autor mehr Begriffe zur Verfügung standen, weil er anders als die Maler dialektisch formulieren und das Gute und Gesunde, Brauch und Sitte gegen die Verrohung durch den Schwarzen Tod absetzen konnte. Da fehlen in der Bildenden Kunst gleichsam die Worte, auf das Ereignis zu reagieren; und dennoch warten gerade im Jahrhundert der Pest Malerei und Skulptur mit ergreifenden Schilderungen auf, die man gern mit der Epidemie verbinden würde.

Todesengel im Süden

In Italien tauchen im 14. Jahrhundert Bilder auf, die den Schatten des Todes auf eine Weise schildern, dass man sie nur zu gern nach 1350 ansetzte, um damit Zeugnisse der Auseinandersetzung mit der Pest zu erhalten. Die Zerstörung des Zweiten Weltkriegs ließ nicht mehr viel übrig von den gewaltigen Fresken im Friedhof von Pisa, die man nicht ganz zu Recht als Triumph des Todes bezeichnet.
Anders als Petrarca kennt der Maler die Metapher des Triumphzuges noch nicht; stattdessen lässt er aus den Lüften im Einklang mit der italienischen Grammatik eine fratzenhafte Frau als Tod, „La Morte“, auf eine friedliche Welt hinabstoßen.

Während der leibhaftige Tod daran geht, dem fröhlichen Treiben einer vornehmen Gesellschaft ein Ende zu bereiten, stoßen weiter unten auf derselben bemalten Wand drei vornehme Reiter mit ihrem Gefolge auf drei aufgebrochene Särge.
Angesichts des Leichengestanks müssen sie sich die Nase zuhalten. Derartig unmittelbar wirkt der Schrecken, dass man die Botschaft des Bildes körperlich und nicht sprachlich wahrnimmt. Ein Bildtyp wird begründet, der als „Die drei Lebenden und die drei Toten“ bis in die Zeit um 1500 oft aufgegriffen wurde. Die daraus entstandene Tradition steht neben dem Totentanz und fasst dessen Botschaft in einer einzigen Begegnung zusammen; dabei sprechen die Toten in späteren Bildern die Lebenden an, um ihnen warnend zu sagen: „Was ihr seid, sind auch wir gewesen; und was wir sind, werdet auch ihr sein!“.


Buffalmacco: Die drei Lebenden und die drei Toten, Pisa, Camposanto

Nachdem man lange zweifelte, wer für die Fresken in Pisa verantwortlich war, hat sich heute eine Meinung durchgesetzt, die sie auf überraschende Weise mit dem Dekameron des Boccaccio verbindet: Kein anderer als der in den Novellen zitierte florentinische Maler Buffalmacco wird in Anspruch genommen. Boccaccio schildert ihn als gescheiten, oft hinterhältigen Schalk, der seine dummen Mitbürger auf den Arm nimmt. Geschichten von ihm erzählt man sich schon in jenen Wochen, da die Pest wütet, also 1348; sein Werk ist Geschichte wie das des Giotto di Bondone (1267-1337). Mithin entstanden die Grundlagen für die Todesmeditation, auf die der Schwarze Tod in Italien stößt, nicht durch das reale Ereignis angeregt, sondern als Ausdrucksformen der direkt vorausgehenden Generation.


Pietà Röttgen, Bonn, Landesmuseum

Dazu fügt sich auch, dass eine der Lieblingsillustrationen für das Wirken des Schwarzen Todes keineswegs auf das Ereignis reagiert, sondern eher schildert, welche Voraussetzungen die Epidemie der Zeit um 1350 erst so verheerend werden ließen. Der Tod, also die italienische Morte, kommt über die Florentiner, weil sich eine Hungersnot ausbreitet. Mehrere Missernten im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts werden heute in der Tat mit dafür verantwortlich gemacht, dass die Bevölkerung in den großen Städten der Krankheit nichts entgegensetzen konnte.
Das Bild findet sich im Specchio Umano des Getreidehändlers Domenico Lenzi, in dem für die Jahre 1320 bis 1335 die Getreidepreise festgehalten sind. Die Tatsache, dass ein solches Buch mit ganzseitigen Miniaturen versehen ist, bleibt einzigartig. Die gefürchtete Präsenz des Todes, durch Hungersnöte erzeugt, war dafür ein wesentlicher Anlass. Im Nachhinein wird aus der Ankündigung des Sterbens ein Bild des Schwarzen Todes; das ist Historikern schlecht zu vermitteln; es führt aber zum Wesen der Bildenden Kunst, die noch weit weniger als die Literatur den Reporter spielt. Sie veranschaulicht vielmehr Tendenzen des Denkens und Fühlens, hält sich nicht an die Zäsuren in der Chronologie, beansprucht keineswegs eine prophetische Qualität, sondern schöpft ihre Bildbegriffe aus einer weniger beweglichen, dafür aber breiter die Mentalität erfassenden Wahrnehmung.

Pestkreuze im Norden

Erschüttert stieß man zu Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der historischen Kunst im Norden, vor allem im Kölner Raum, auf Werke, in die alle traumatische Erfahrung des Großen Sterbens gebannt zu sein schien. Man erschrak vor den grausam verrenkten und in ihrer Haut wie von Beulen überzogenen Bildern des gekreuzigten Christus oder des Gottessohns, der vom Kreuz abgenommen aus entsetzlichen Wunden blutend seiner Mutter in den Schoß gelegt wurde.
Pestkreuze nannte man solche Kruzifixe; und in ihren Kreis nahm man Werke wie die Pietà des Bonner Landesmuseums auf, die nach einem frühen Besitzer den Fachleuten als Pietà Röttgen geläufig, den Lesern von Thomas Manns Zauberberg aus der großartigen Schilderung des Dichters bekannt ist.
Nur eine epochale Erschütterung mochte man sich als Auslöser dafür denken, dass Bildhauer zu einem derartigen Bruch mit der Schönheit ihrer Kunst gebracht wurden. Erfahrung aus dem Leben oder aus dem Großen Sterben hat man dafür verantwortlich gemacht, dass der Körper, derartig geschunden, die Integrität des Leibes derartig zerstört und die Oberfläche und Farbe der Haut in solch unerträglichem Maße verletzt wurden. Doch die Datierung solcher Werke machte den Bezug unmöglich, wurde es doch allzu deutlich, dass sich auch diese nordalpinen Werke keineswegs an das Ereignis der Jahre um 1350 anschließen, sondern eher wie eine bittere Vorahnung der vorausgehenden Generation angehören.

 
Beide Abbildungen: KHI - Hungersnot und Tod über dem Kornmarkt von Florenz, in: Domenico Lenzi: Specchio umano, Florenz, Bibl. Laurenziana, Tempi 3, fol. 78v/79

Man könnte somit schließen, dass der Schwarze Tod ein Jahrhundert, das schon in seiner ersten Hälfte der Todesmeditation in viel schrecklicherer Weise nachgegangen war als alle christlichen Epochen zuvor, in seiner Mitte traf. Damit wäre Boccaccio und den anderen Autoren zu widersprechen, die das medizinisch begründete Ereignis als eine unerwartete Plage aus heiterem Himmel beschreiben. Der Himmel war verdüstert durch Gestalten wie die Morte im Menschenspiegel (Specchio umano) des Getreidehändlers Domenico Lenzi.

Zeitdokumente wider Willen

Auf welch wunderliche Weise sich Pest und Kunst verbinden, sei schließlich noch an zwei Beispielen veranschaulicht: Zu den Großen, die der Schwarze Tod hinraffte, gehörten nur wenige Mitglieder der europäischen Herrscherhäuser; doch die französische Königin Bonne de Luxembourg, die Mutter der großen Mäzene des späteren 14. und des frühen 15. Jahrhunderts, des Königs Karl V. sowie der Herzöge von Anjou, Berry und Burgund, war darunter. Wer sich ihren Tod vor Augen führen will, sollte nicht hoffen, dass noch einmal ein Bilddokument auftaucht, das ihr Ableben und das Entsetzen am Königshof in Paris im Jahre 1349 schildert.

Vielmehr steht ein Miniaturenpaar für das Schicksal der Königin: Es findet sich in Bonnes Psalter, heute in den New Yorker Cloisters: Da kommen muntere Reiter von links, die drei Lebenden, vor schönem roten Mustergrund auf drei schauerliche Gerippe zu, die auf dem aufgewühlten Grund eines Friedhofs stehen, bizarr in Leichentücher gehüllt oder noch gräßlicher nackt. Sie verkündeten der Königin zu deren Lebzeiten den Tod; und sie waren das Kostbarste, was Bonne de Luxembourg als Kunstwerk besaß, das Einzige, das man heute noch mit ihr verbindet.


Brüder Limburg vor 1416, Barthélemy d’Eyck um 1450, Jean Colombe, um 1485: Pestprozession des Papstes Gregor, Tres Riches Heures des Herzogs von Berry, Chantilly Musée Condé Ms. 65, fol. 71v/72

Noch anders sieht es mit einer herrlichen Randmalerei in der schönsten Handschrift aus den Generationen nach dem Schwarzen Tod aus: Um die Allerheiligenlitanei in den Très Riches Heures des Herzogs von Berry, heute in Chantilly, hervorzuheben, haben die Brüder Limburg eine Prozession entworfen. Den Gedanken an die Pest müssen sie im Hinterkopf gehabt haben; doch war für sie das Geschehen der Zeit um 1350 viel zu frisch, als dass es in diesem herrlichen Stundenbuch einen Platz finden konnte. Stattdessen besannen sie sich auf eine Prozession, die der Kirchenvater Gregor in der Frühzeit des römischen Papsttums um die Mauern der Ewigen Stadt geführt hat, damit er den Erzengel Michael von der Engelsburg herunter bitten könne, eine Pestepidemie zu stoppen. Da drängt die Bevölkerung Roms aus dem Stadttor; ihr voran schreitet der Papst, die Hände flehentlich zum Himmel erhoben. Ihn umgeben zahlreiche Kleriker. Doch die Epidemie hat noch nicht Halt gemacht. Ausgerechnet jener junge Mann, der die Hostienmonstranz trägt, ist niedergestürzt, offenbar von der Krankheit erwischt.

Doch nicht dieser Umstand macht aus der Malerei ein unfreiwilliges Zeitdokument. Nein, die Maler selbst, die drei Brüder Paul, Hermann und Johann von Limburg wurden 1416 Opfer der Pest. Das geschah in Bourges; als dieselbe Epidemie Paris erreichte, fiel ihr auch der große alte Mäzen der jungen Maler, Jean de Berry, zum Opfer. Damals war das Bild unvollendet: Man erkennt an den eleganten Linien der Michaelsfigur über den Dächern Roms, dass hier einst der Weiche Stil jener nur scheinbar glücklichen Anfangsjahre des 15. Jahrhunderts triumphieren sollte. Schon die Gesichter der Menge im Stadttor haben ein anderes Gepräge; die gleiche feste und sehr farbige Malerei findet man beim Papst und im schreienden Gesicht des von der Pest zu Boden geworfenen. Dann schreitet die Prozession vorn weiter in anderen Tönen und Formen. Grau herrscht hier, gedrungen sind die Figuren mit ihren breiten Köpfen, die sonderbar stumpf und unbeeindruckt wirken von dem, was vorher geschah.

Somit sorgte die Pest selbst dafür, dass die Entwerfer dieses Bildes nichts von der frommen Erwartung hatten, dass Beten und in der Prozession um die Mauern Marschieren ihnen Rettung brächte. Ihr Werk, das sie sorgfältig von oben nach unten ausmalen wollten, den Michael und die Dächer zuerst, die Hauptfiguren unten zuletzt, wurde abgebrochen durch den Schwarzen Tod bei seiner wiederholten Wiederkehr. Erneut hatten dabei äußere Umstände die Wucht der Epidemie verstärkt, so dass selbst gut situierte Leute wie die Hofmaler und der Herzog zu Opfern wurden; denn in der Schlacht von Azincourt hatte Frankreich 1415 seine furchtbarste Niederlage hinnehmen müssen. Ein Hungerwinter war die Folge, der die Bevölkerung so schwächte, dass man der Krankheit schutzlos ausgeliefert war.
Eine Generation brauchte es, bis um 1450 Barthélemy d’Eyck, ein Maler aus den Niederlanden, kam, um den Versuch zu machen, die Prozession zu Ende zu führen. Er starb zwar nicht an der Pest; jedoch auch sein Ansatz wurde aus unbekannten Gründen abgebrochen. Noch eine weitere Generation war nötig, um Jean Colombe um 1485 jene etwas stumpfsinnigen jungen Kleriker ausführen zu lassen, die die letzten Löcher in der Malfläche schließen.

Das Beispiel zeigt zugleich, was die Pest für die Kultur seit dem Schwarzen Tod bedeutete: Sie warf die Menschen zurück, sie verdichtete die schwarze Todesmeditation, auf die sich die Bildende Kunst schon eingestellt hatte, lange bevor das genuesische Schiff aus Caffa die Krankheit nach Italien brachte.


Literatur:

Millard Meiss, French Painting in the Time of Jean de Berry: I. The Late 14 th Century and the Patronage of the Duke, London und New York 1967, II. The Boucicaut Master, London und New York 1968, III. The Limbourgs and Their Contemporaries, London und New York: Brazilles 1974.

Ders., La mort et l’office des morts à l’époque du maitre de Boucicaut et des Limbourg, in: Revue de l’art 1 (1968), 17-25.

Luciano Bellosi, Buffalmacco e il trionfo della morte, Turin 1974.

Reinhold Hammerstein, Tanz und Musik des Todes. Die Mittelalterlichen Totentänze und ihr Nachleben. Bern und München 1980.

Susanna Partsch, Profane Buchmalerei der bürgerlichen Gesellschaft im spätmittelalterlichen Florenz. Der Specchio Umano des Getreidehändlers Domenico Lenzi, (Heidelberger Kunstgeschichtliche Abhandlungen 16) Worms 1981.

Heinrich Dormeier, St. Rochus, die Pest und die Imhoffs in Nürnberg vor und während der Revolution, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1995. S. 7 – 72.