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Bernd Wannenmacher
Licht + Finsternis

Es werde Licht!

"Nachts erst ist´s schön, ans Licht zu glauben", schrieb im ausgehenden 19. Jahrhundert der französische Dichter Edmond Rostand, der vielen von uns als Erfinder des Cyrano de Bergerac bekannt ist. Seit Jahrtausenden verbinden Menschen Licht mit Leben, Wärme und Helligkeit, die dem Tod, der Kälte und der Tiefe der Nacht als scheinbarer Dualismus gegenüberstehen. Doch erst das Dunkle ruft den Wunsch nach Helligkeit hervor, der Schatten bringt das Licht zum Leuchten, ebenso wie im Dunkel der Keim von ersten Strahlen angelegt ist und das Licht seine Schattenseiten – wie versengende Hitze und gleißende Wärme – besitzt.

Von diesen und anderen Widersprüchen handelt die vierte Ausgabe des Wissenschaftsmagazins fundiert, das dem Thema Licht gewidmet ist und auch den Schatten enthält. Gleich das erste Kapitel Sonne zeigt die beiden Gesichter des Himmelskörpers: In ihrer pharmazeutischen Dissertation plädiert Silvia Wissing für neue Sonnenschutzmittel, die feste Lipid-Nanopartikel besitzen, um besser vor der zunehmenden Ozonbelastung zu schützen. Auch das Forscherteam um Christoph Geilen weist auf den sprunghaften Anstieg von epithelialen Hautkrebs hin und zeigt neue Therapiemöglichkeiten auf. Während wir uns heute zunehmend vor der Sonne schützen, war die Sonne für den frühen Menschen essentiell: Ihr Aufgehen bedeutete Licht und Wärme, ihr Untergang Kälte und tiefe Dunkelheit – wie der Prähistoriker Bernhard Hänsel in seinem Beitrag erzählt, der sich mit der spannenden Entwicklungsgeschichte von der güldenen Sonne zum Sonnengott beschäftigt. Im alten Orient setzten die Völker den mächtigen Sonnengott mit dem weltlichen König gleich. Eine Sonnenfinsternis löste deshalb Staatskrisen aus, die nur durch den Scheintod des Sonnenkönigs behoben werden konnten – so nachlesbar im Beitrag von Eva Canzik-Kirchbaum. Das zweite große Kapitel wendet sich einer anderen Seite des Lichts zu, der Inszenierung. Hier ist der Mensch nicht mehr den Urgewalten der Natur ausgesetzt, sondern spielt mit Licht und Dunkel, verwandelt sie in gelebte Philosophie, um bessere Effekte zu erzielen. Licht in der Malerei ist mehr als nur Lichtsymbolik oder Naturbeobachtung. Historisch wechselnde Lichtgefüge erweisen sich in der neueren kunsthistorischen Forschung zunehmend als eine der Grundlagen malerischer Bildsprache, wie das Team junger Lichtforscher um Philipp Weiss anhand des Abendmahlgemäldes von Jacopo Tintoretto in San Giorgio in Venedig nachweist. Der Physiker und Ethnologe Götz Hoeppe zeigt, wie auch natürliche und künstliche Prozesse das Licht des Himmels sichtbar verändern können, zum Beispiel große Vulkanausbrüche, die auf die Dämmerungsfarben zurückwirken. Vermutlich haben diese sogar in der Kunst Spuren hinterlassen, sind Maler wie William Turner zu Chronisten des Klimas geworden. Doch nicht nur die Malerei spielt mit dem Licht. Welche große Rolle dem Licht in Theater- und Filminszenierungen zukommt, erklären die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte und die einzige Professorin für Filmwissenschaft an der Freien Universität, Gertrud Koch.

Ohne Licht gäbe es auf der Erde kein Leben, weshalb sich unser drittes Kapitel Leben nennt. Klaus Möbius zeichnet in seinem Beitrag den wichtigsten Prozess auf Erden, die Photosynthese, nach, der wir den Sauerstoff zum Atmen und den Energiespeicher zum Leben verdanken. Um eine neuartige Therapie, der Protonentherapie, geht es in dem Artikel des Wissenschaftsjournalisten Manfred Ronzheimer. Einzigartig in Deutschland führen das Team um Michael Foerster von der UKBF-Augenklinik und das Hahn-Meitner-Institut erfolgreich die Protonentherapie bei Augenkarzinomen durch.

Licht kann Dunkelheit vertreiben und über Schwermut und Mutlosigkeit siegen. So können saisonalbedingte Depressionen, die vor allem in den dunkeln Monaten des Jahres auftreten, mit der so genannten Lichttherapie behandelt werden, wie Isabella Heuser in ihrem Artikel darlegt. Der Kampf zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen Gut und Böse, hat eine lange Tradition, von der das Judentum wie auch das Christentum beeinflusst wurden, wie der katholische Theologe Rainer Kampling zeigt, der seinen Artikel mit dem Psalm (Jes 21,12) beginnt: "Der Hüter aber sprach: Wenn der Morgen schon kommt, so wird es doch Nacht sein."

Dr. Felicitas von Aretin

Titelbild: Bernd Wannenmacher, Sonnenuntergang nahe Wellington, Neuseeland

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