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Ein Schirm wäre auch heute noch ein geeigneter Schutz vor Sonnenbrand. (Foto: KHI)

Sonnen-induzierter Hautkrebs

Neue Therapiestrategien beim malignen Melanom

Christoph C. Geilen,
Jürgen Eberle und Constantin E, Orfanos

Maligne Neubildungen der Haut zählen zu den häufigsten Tumoren und die Zuwachsraten des epithelialen Hautkrebses (Plattenepithelkarzinom, Basaliom u.a.) sowie des malignen Melanoms in den vergangenen Jahren sind beachtenswert. So hat sich die Inzidenz des epithelialen Hautkrebses in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als verdreifacht und die des malignen Melanoms mehr als verdoppelt. Berechnungen für die USA ergaben, dass das lebenslange Risiko, ein Melanom zu entwickeln, sich von 1:1500 im Jahre 1935 auf 1:75 im Jahre 2000 dramatisch erhöht hat. In Australien werden jährlich 270.000 neue Fälle von Hautkrebs registriert, etwa 1,5% der Bevölkerung, davon 4.000 Melanome.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind nicht vollkommen geklärt, doch es gibt kaum Zweifel, dass die Sonnenlichtexposition eine fundamentale Rolle für die Entwicklung von Hautkrebs, sowohl für epitheliale Tumore als auch für Melanome, darstellt. Es muss hierbei zwischen einem genetischen Risiko einerseits (heller Hauttyp, rotblonde Haare, blaue Augenfarbe, vermehrte Naevi sowie familiär gehäuftes Auftreten von Melanomen), und einem Verhaltensrisiko andererseits im Sinne von vermehrter Sonnenexposition und Sonnenbränden unterschieden werden. Im Gegensatz zu den epithelialen Hauttumoren, bei denen eine kontinuierliche, kumulative Sonnenlichtexposition einen wesentlichen Faktor darstellt, scheint für die Entwicklung des Melanoms eher eine intermittierende, erhöhte UV-Lichtexposition ausschlaggebend zu sein. In Fallkontrollstudien wurde ermittelt, dass sich das relative Risiko für die Entwicklung von Melanomen nach schmerzhaften Sonnenbränden auf das Zwei- bis Dreifache erhöht, wobei eine genetische Disposition bei einem Teil der Fälle hinzukommt. Ein adäquater Sonnenschutz ist dementsprechend eine unbedingte Voraussetzung, um der Entwicklung von epithelialen Hauttumoren und Melanomen vorzubeugen. In diesem Zusammenhang steht die Verwendung von Sonnenschutzmitteln in der Diskussion. Verschiedene Studien haben hier ganz unterschiedliche Antworten auf die Frage gegeben, inwieweit die Verwendung von Sonnenschutzmitteln das Auftreten von Hautkrebs verhindern kann: Während etwa die Hälfte der Studien zeigten, dass durch die regelmäßige Verwendung von Sonnenschutzmitteln das Risiko für eine Melanom-Entwicklung vermindert werden kann, deutete eine etwa gleich große Zahl an Studien eher auf eine positive Assoziation. Diese unerwartete Diskrepanz der Ergebnisse könnte darauf zurückzuführen sein, dass die gegenwärtig verwendeten Sonnenschutzmittel vor allem den UVB-Bereich des Sonnenlichtes abfiltern, also genau die Wellenlängen, die vorrangig für die Entstehung von Sonnenbränden verantwortlich sind. Dadurch wird zwar das Hautkrebsrisiko durch UVB vermindert, aber der UVA-Bereich, der zur Hautpigmentierung führt, wird nicht blockiert, weil eine Bräunung kosmetisch erwünscht ist. Durch dieses Vorgehen fällt das Warnsignal eines Sonnenbrandes aus. Auf diese Weise werden erhöhte UVA-Lichtmengen akkumuliert, weil man sich länger der Sonne aussetzen kann. Diese selektive Exposition mit erhöhten UVA-Mengen findet auch bei der Benutzung von Sonnenbänken zur kosmetischen Bräunung der Haut statt.
Die genauen molekularen Mechanismen, die letztlich zur Entwicklung von epithelialen Hauttumoren und Melanomen führen, sind noch weitgehend unbekannt. Doch die experimentellen Daten der letzten Jahre ergeben ein sich stetig vervollständigendes Bild. Wesentliche Teilaspekte in diesem Zusammenhang sind – neben den direkten durch UV-Licht bedingten Schäden an der Erbsubstanz (DNS) – auch die durch UV-Licht bedingte Immunsuppression sowie die ebenfalls durch UV-Licht induzierte Bildung freier Sauerstoffradikale, die zelluläre Strukturen schädigen können. Insofern ist heute allgemein akzeptiert, dass für die Vermeidung von Hautkrebs ein gleichzeitiger Schutz sowohl vor UVB- als auch vor UVA-Licht unabdingbar ist. Während die Therapie epithelialer Hauttumore in den meisten Fällen aufgrund des semimalignen Wachstumsverhaltens unproblematisch ist, gestaltet sich die Therapie des malignen Melanoms weitaus schwieriger, insbesondere da kaum therapeutische Möglichkeiten nach Eintreten einer Metastasierung zur Verfügung stehen. Daten des deutschen Zentralregisters Malignes Melanom, das erstmalig in Deutschland an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Benjamin Franklin der FU Berlin in den 80er Jahren gegründet wurde, zeigen, dass die 10-Jahres-Überlebensrate beim Vorliegen eines primären Melanoms ohne Metastasierung – in Abhängigkeit von der Tumordicke – zwischen 43% und 97% beträgt. Nach Eintritt einer Lymphknotenmetastasierung verringert sich diese Rate auf 19% und ist beim Vorliegen von Organmetastasen trotz Therapie nahezu infaust (3%).
Besondere Merkmale des malignen Melanoms sind seine häufig frühzeitige Metastasierung, das Umgehen der körpereigenen Immunabwehr sowie die ausgesprochene Therapieresistenz. Diese Merkmale führen dazu, dass das maligne Melanom zu den bösartigsten Tumoren zählt, und sie bilden konsequenterweise die Ansatzpunkte für neue Therapiestrategien. Sowohl die körpereigene Immunabwehr als auch Chemotherapeutika basieren auf der Auslösung eines festgelegten Selbstmordprogramms in den Tumorzellen, der so genannten Apoptose. Dieser Mechanismus kann über unterschiedliche Wege eingeleitet werden, verläuft aber innerhalb der Zelle über einige wenige festgelegte Signalketten, um schließlich in einer gemeinsamen Endstrecke zu münden, bei der zelluläre Strukturen durch definierte Spaltungsprozesse aufgelöst werden. Man bezeichnet die Apoptose daher auch als programmierten Zelltod. Die Zelle stellt bei diesem Prozess ihr Wachstum und ihre Teilung ein und zerfällt nach Eintritt der Apoptose in kleinere, membranumschlossene Vesikeln, die schließlich von Makrophagen aufgenommen werden.
Der Vorgang der Apoptose ist in den vergangenen Jahren immer mehr in den Mittelpunkt der medizinisch-biologischen Forschung gerückt. Wurden vor 10 Jahren noch knapp 400 Arbeiten unter diesem Stichwort veröffentlicht, so fanden sich im Jahr 2002 über 11.000 Arbeiten zu diesem Thema. Ein Grund hierfür ist die hohe medizinisch-therapeutische Relevanz apoptotischer Vorgänge.


Komplette Hemmung des Melanomwachstums in Nacktmäusen nach Anschalten des Apoptosegens CD95L/FasL. Melanomzellen, die zusätzlich mit dem Gen für den Fas-Ligaden (FasL) unter Kontrolle eines durch Tetracyclin induzierbaren Promoters ausgestattet sind (stabil transfiziert), wurden in Mäusen mit einem defizienten Immunsystem (Nacktmäuse) subcutan in beide Flanken injiziert. Ohne Anschalten der FasL-Expression in den Tumorzellen bilden sich innerhalb von sechs Wochen Melanome an beiden Injektionsstellen (oben); nach Anschalten der FasL-Expression durch Hinzufügen von Tetracyclin bzw. Doxycyclin mit dem Trinkwasser konnte das Melanomwachstum vollständig verhindert werden.

Häufig funktioniert gerade dieses Schutzprogramm bei Krebszellen nicht mehr in ausreichender Weise, wodurch es den Tumorzellen gelingt, sich den Todessignalen zu entziehen, die das Wachstum kontrollieren. Zur Entwicklung eines therapeutischen Ansatzes ist es wichtig zu wissen, durch welche Mechanismen der Selbstmord in Tumorzellen ausgelöst wird, beziehungsweise welche Schritte der Apoptosekaskade in den Tumorzellen blockiert sind. Die gezielte Korrektur der Apoptosedefizienz oder das gezielte Auslösen von Apoptose durch Umgehung der Blockierung stellen viel versprechende neue Wege dar, das maligne Melanom effektiver zu bekämpfen. Die Klinik und Poliklinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Benjamin Franklin verfolgt im Rahmen eines Forschungsprogrammes der Deutschen Krebshilfe/Mildred-Scheel-Stiftung seit mehreren Jahren gemeinsam mit 16 weiteren, über Deutschland verteilten Forschungsgruppen die Problematik der so genannten Apoptosedefizienz von Tumoren. Wir konnten die Mechanismen für das gestörte Selbstmordprogramm beim Melanom genauer charakterisieren und dabei Möglichkeiten herausstellen, um gezielt in Melanomzellen Apoptose auszulösen. Es konnte nachgewiesen werden, dass bei Melanomzellen der Prozess der Apoptose über eine fein regulierte Kaskade von verschiedenen Signalen induzierbar ist. Dabei werden nach unserem bisherigen Kenntnisstand teilweise übereinstimmende Signalwege benutzt, unabhängig vom ursprünglichen Apoptosesignal, z. B. durch zytotoxische, körpereigene Tumorabwehrzellen oder durch Chemotherapeutika. Deshalb wirkt sich ein Block in der interzellulären Signalweiterleitung auch so fatal aus, wenn sowohl körpereigene als auch therapeutische Antitumoreffekte scheitern und der Krebs sich ungehindert entwickeln kann. Beim Vergleich von Melanomzellen unterschiedlicher Herkunft zeigte sich, dass es in vitro bezüglich der Apoptose-Induktion resistente und sensitive Zelllinien gibt. Unsere Untersuchungen stellten heraus, dass resistente Melanomzellen charakteristische Veränderungen auf der Expressionsebene von Proteinen der Bcl-2-Familie aufwiesen, die für die Apoptoseregulation mit verantwortlich sind. Um der Frage nachzugehen, warum Melanomzellen diesen anti-apoptotischen Mechanismus entwickeln können, muss man die Ontogenese des Pigmentsystems genauer betrachten. Die Melanozyten (Pigmentzellen) sind neuroektodermaler Herkunft, d.h. ihre Vorläuferzellen entstehen in der Neuralleiste und wandern als Melanoblasten ab der 8. Schwangerschaftswoche durch das Mesenchym, um dann in der 12. Woche die Haut zu erreichen. Es folgt die Differenzierung zu Melanozyten und der Beginn der Pigmentsynthese. Diese Wanderung durch verschiedene Gewebe bedingt, dass die Melanoblasten häufiger pro-apoptotischen Signalen ausgesetzt sind, denen sie sich durch einen internen Schutzmechanismus entziehen. So trifft man auch bei normalen Melanozyten eine relativ starke Expression der bereits beim Melanom erwähnten anti-apoptotischen Bcl-2-Proteine an. Diese Mitgift der Melanom-Vorläuferzelle könnte letztlich die Apoptoseresistenz der Tumorzellen mit erklären.
Aus Sicht der Entwicklung von neuen Therapieverfahren stellt sich somit die Frage, ob es durch ein Eingreifen auf der Ebene der Apoptoseregulation möglich ist, Chemotherapie-resistente Melanomzellen wieder sensitiv zu machen. Unter Verwendung gentechnologischer Methoden konnten wir diesen Zusammenhang belegen: Durch künstliche Herunter-Regulation der anti-apoptotischen Bcl-2-Proteine wurden vormals für Chemotherapie-resistente Melanomzellen wieder sensitiv. Umgekehrt konnten aus zunächst für Chemotherapie-sensitiven Melanomzellen durch Erhöhung der Expression der Bcl-2-Proteine Therapie-resistente Zellen hergestellt werden. Hieraus ergeben sich neue Denkansätze und therapeutische Perspektiven für die Dermatoonkologie. Die dargestellten Therapieziele eröffnen neue Substanzklassen und Therapieverfahren, deren Identifizierung und Charakterisierung Aufgabe der kommenden Jahre sein wird.
In tierexperimentellen Untersuchungsmodellen konnten wir bereits pro-apoptotische Signale gezielt anschalten und hierdurch der Melanomentwicklung entgegenwirken. Die Entwicklung eines viralen, melanomspezifischen und schaltbaren Gentransfers ist derzeit in der Entwicklung und neue Substanzklassen haben im Zellkulturmodell bereits ihre Wirksamkeit gegenüber Apoptose-resistenten Melanomzellen unter Beweis gestellt.
In Deutschland erkranken jährlich etwa 10.000 Menschen neu am malignen Melanom, von denen sich ca. 25% bereits bei der Erstdiagnose in einem Stadium befinden, in dem die chirurgische Entfernung allein nicht ausreichend ist und zusätzliche systemische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Pro-apoptotische Therapiestrategien könnten hier in der Zukunft aus der bestehenden therapeutischen Sackgasse führen. Bis dahin kann aber nur durch einen moderaten Umgang mit dem Sonnenlicht das Auftreten des Melanoms vermindert und durch engmaschige Vorsorgeuntersuchung die frühzeitige Diagnosestellung und chirurgische Entfernung des Melanoms gewährleistet und damit die hohe Mortalität dieses Tumors gesenkt werden.

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