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Unreines Nass?

Trink- und Badewasser als mögliches Reservoir für Krankheitserreger


von Klaus Weist und Tim Eckmanns

Trinkwasser gehört in Deutschland zu den am besten untersuchten Lebensmitteln. Steril ist es aber nicht, ebenso wenig das Badewasser. Bakterien, die zu Krankheiten führen, können enthalten sein. In Krankenhäusern sollte deshalb auf besondere Hygiene des Wassers geachtet werden. In Privathaushalten hingegen wird Wasser meist nur aus geschmacklichen Gründen gefiltert; die gängigen Filterverfahren können den Bakterien jedoch kaum etwas anhaben. Der Trend zum Mineral- oder Tafelwasser aus der Flasche ist ungebrochen, obwohl Leitungswasser wesentlich billiger und oft von gleicher Qualität ist. Einen Überblick über bakterielle Erreger im Wasser, mögliche und tatsächliche Filtermethoden und Ratschläge, wo es sich am gesündesten badet, liefern die Mediziner Dr. Klaus Weist und Dr. Tim Eckmanns.

Wasser ist ein ganz besonderes Lebensmittel. Bei kaum einem anderen unterscheiden sich die Preise so gravierend wie bei Wasser. Und kaum ein anderes wird so genau kontrolliert wie Wasser – jedenfalls in Deutschland. Die Versorgung mit keimfreiem Trinkwasser ist hierzulande ein Grundrecht, ebenso wie in den meisten anderen europäischen Staaten. Nicht jedoch in Teilen Asiens und Afrikas. Dort sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich 1,7 Millionen Menschen an den Folgen von Infektionserkrankungen durch verseuchtes Wasser – davon über 90 Prozent Kinder.

Die deutsche Trinkwasserverordnung von 2001 garantiert dem Nutzer, dass Wasser für den menschlichen Gebrauch frei von Krankheitserregern ist und chemische Stoffe wie Eisen, Nitrat oder Rückstände von Pflanzenschutzmitteln innerhalb unbedenklicher Konzentrationen liegen. Das Trinkwasser muss klar und vom Geschmack her annehmbar sein. Der Verbraucher hat einen Rechtsanspruch darauf – bis zum Wasserhahn in der Wohnung.

Eine mögliche fäkale Verunreinigung und potentielle Infektionsgefahr wird ausgeschlossen. Die Fäkalerreger Escherichia coli und Enterokokken, die im menschlichen oder tierischen Darm vorkommen, dürfen nicht nachweisbar sein. Allerdings ist klares Trinkwasser nicht steril: bis zu 100 bakterielle Erreger je Milliliter dürfen darin enthalten sein. Dies ist für den normalen Verbraucher gesundheitlich unbedenklich.


Zwei Reagenzgläser mit klarer Lösung. Die Lösung mit der
blauen Verschlusskappe ist steril. Die Lösung mit der roten
Verschlusskappe enthält 10.000 Erreger je Milliliter
Foto: Weist/Eckmanns


Für Wasser aus der Flasche gilt der gleiche Qualitätsanspruch. Das regelt die Mineral- und Tafelwasserverordnung. Dass diese Bestimmung eingehalten wurde, belegt die letzte große bakteriologische Untersuchung der Stiftung Warentest. Dort wurden 31 marktgängige Mineralwässer von 2001 untersucht und alle Produkte erfüllten die Bedingungen.

Doch obwohl sich die Qualität von Leitungswasser und Mineral- oder Tafelwasser oft nicht unterscheiden, hat sich in Deutschland der jährliche Verbrauch von Wasser aus der Flasche in den letzten zehn Jahren verzehnfacht – auf heute 130 Liter pro Person. Der Preis beträgt mehr als das hundertfache dessen, was das Aufdrehen des Wasserhahns kosten würde. Die Imagekampagnen der Getränkeindustrie für den Verkauf von Mineralwasser sind offenbar erfolgreich verlaufen.

Wasser aus dem Wasserhahn ist genießbares Trinkwasser. Es muss nicht zusätzlich behandelt werden, auch nicht im eigenen Haushalt – jedenfalls nicht, um sich gegen Infektionen zu schützen. Zwei grundsätzliche Empfehlungen sollte der Verbraucher aber beachten: Zum einen müssen längere Standzeiten von gezapftem Wasser vermieden werden, weil eine Vermehrung der im Wasser vorhandenen Erreger erfolgt. Wird das Wasser dennoch aufbewahrt, sollte es gekühlt erfolgen.

Wichtig für medizinische Alltagsgeräte wie Medikamentenvernebler und Inhalatoren sind folgende Ratschläge: Mikroorganismen können sich nur bei Feuchtigkeit vermehren, daher sollten diese Geräte nach jedem Einsatz unter fließendem Wasser gereinigt und trocken gelagert werden. Es existiert aber kein Null-Risiko.

Immer wieder wird propagiert, die Qualität des Wassers durch Filterung zu verbessern. Doch auch der Filter kann verkeimen. So zog ein großer deutscher Hersteller 1994 einen speziellen Filter zurück, nachdem fabrikneue Filter eine Verkeimung mit Pilzen aufwiesen. Der Filter war für Wasser gedacht, mit dem Säuglingsnahrung zubereitet werden sollte. Filter werden meist aus geschmacklichen Gründen eingesetzt, um den regional unterschiedlichen Salzgehalt sowie die verschiedenen Härtegrade (Kalk) auszugleichen. Filtersysteme verschiedener Hersteller basieren auf einer Filterung mittels Granulat, Kohlefiltern, Ionenaustauschern oder der Umkehrosmose. Zu beachten ist, dass besonders Filtersysteme, die am Wasserhahn fest installiert werden, verkeimen können.

Was in Privathaushalten in der Regel keine Gefahr darstellt, sind Legionellen. Das sind mikroskopisch kleine Bakterien, die beim Menschen schwere Lungenentzündungen hervorrufen können. Die Entdeckung dieser Bakterien geht auf ein Treffen von amerikanischen Veteranen im Jahr 1976 zurück, der „American Legion“. Über zweihundert dieser amerikanischen Kriegsveteranen erkrankten an Lungenentzündung – die Ursache war zunächst ausgelöst durch Bakterien. Diese Erreger wurden daraufhin Legionellen genannt, die Krankheit „Legionärskrankheit“. Anfälliger für Legionellen sind eher alte Menschen, Raucher, Lungenkranke und Menschen, die einen hohen Alkoholkonsum haben.

Die optimale Wachstumstemperatur für Legionellen liegt bei 25 bis 45 Grad. Die Ausbreitung findet unter anderem über kleine, in der Luft schwebende, flüssige Teilchen (so genannte Aerosole) statt. Legionellen sind nahezu überall und in jedem Wassersystemen verbreitet, so auch zu etwa 70 Prozent in Krankenhäusern. Trotz intensiver wissenschaftlicher Forschung über die krankheitsfördernden Faktoren (so genannte Pathogenitätsfaktoren) ist es bisher nicht gelungen, krankmachende von nicht krankmachenden Legionellen zu unterscheiden. Niemand kann sagen, ab welcher Konzentration eine Infektion auftritt.


Genetischer Fingerabdruck von neun verschiedenen Legionellen-Isolaten
mit der AFLP-Methode (Amplified Fragment Length Polymorphism).
Bandenmuster 1 bis 4: Patienten-Isolate, 6 bis 8: Wasser-Isolate.
Diese Isolate sind identisch und eine Übertragung nachgewiesen.
9: Referenzstamm
Foto: Weist/Eckmanns

Legionellen vermehren sich im Trinkwasser in Einzellern wie Amöben, die stets vorhanden und nicht krankmachend sind. Beim Zerplatzen dieser Amöben werden kurzfristig hohe Erregerzahlen freigesetzt. Der quantitative Legionellen-Nachweis ist meist ein Zufallsbefund. Es reicht wahrscheinlich eine sehr geringe Anzahl an Legionellen bei immunschwachen Patienten zur Infektion aus (wahrscheinlich weniger als ein Erreger pro Milliliter).

Es ist unmöglich, ein Wassersystem sicher Legionellen-frei zu bekommen. Dennoch herrscht unter Experten ein bisweilen dramatisch geführter Streit darüber, welche Werte für Legionellen einzuhalten sind. Zum einen geht die „Sicherheitsfraktion“ davon aus, dass ein Wasser, in dem keine Legionellen nachweisbar sind (das heißt keine Nachweis in 100ml Wasserprobe), logischer Weise auch kein Infektionsrisiko beinhaltet. Gesundheitsämter fordern von Krankenhäusern oder öffentlichen Gebäuden die Einhaltung bestimmter, nicht begründbarer Grenzwerte, ohne dass dies technisch oder finanziell realisierbar wäre.

Krankenhaushygieniker fordern ein so genanntes Evidenz-basiertes Vorgehen, um der Legionellen Herr zu werden. Dieses Vorgehen beruht auf Empfehlungen der amerikanischen Gesundheitsbehörde, den Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta (CDC), USA. Die Maßnahmen zur Wasserbehandlung bestehen aus Basismaßnahmen und zusätzlichen Maßnahmen je nach dem Gefährdungsgrad der Nutzer. Danach wird in einem Krankenhaus das Trinkwasser für gefährdete Patienten zusätzlich behandelt. Durch molekularbiologische DNA-Fingerprintverfahren kann bei Legionellen-Infektionen die Identität des Infektionserregers im Trinkwassersystem nachgewiesen werden.

Doch nicht nur Infektionen mit Legionellen sind im Krankenhaus möglich. Erreger sind ebenso Pseudomonaden – sie kommen im Darm aber auch im Wasser vor und können Hautinfektionen sowie Atemwegsinfektionen verursachen. Außerdem so genannte nicht-tuberkulöse Mykobakterien, die nur bei AIDS-Patienten zu Infektionen führen.

Krankenhausinfektionen sind in der Literatur beschrieben im Zusammenhang mit dem Genuss von Trinkwasser aus Wasserhähnen, Duschen, Wärmebädern, Eismaschinen zur Kühlung von Proben oder aus Augenduschen von Laboren, in denen Wasser lange steht. Beatmete Patienten, die einen schlechten Immunstatus und eine veränderte Rachenflora haben, können unter Umständen durch Mineralwasser infiziert werden. Eine derartige Übertragung von Pseudomonaden aus Mineralwasserflaschen auf Patienten konnte erst kürzlich in einem Krankenhaus nachgewiesen werden.

Eine alternative Wasserquelle zu stillen Mineralwasserflaschen sind Tafelwasserschankanlagen, wenn diese mit einem Filter ausgestattet und gut gewartet sind. Die eher ästhetisch gefühlte Infektionsbedrohung aus Toiletten, Waschbeckenabflüssen oder von Blumenwasser trifft nicht zu. Es gibt keine publizierten Infektionsübertragungen, die mit der Toilettenbenutzung in Zusammenhang stehen, auch nicht bei Patienten mit Diarrhöen.

Ebenso verhält es sich mit dem Blumenwasser. Dennoch besteht zum Beispiel in Berlin immer noch ein behördlicher Erlass, der Blumen auf chirurgischen Stationen untersagt. Im Blumenwasser können zwar Millionen von Pseudomonaden sein, aber bei sachgerechter Entsorgung bestehen weder direkter Wundkontakt noch eine Infektionsgefahr. In Waschbeckenausgüssen finden sich potentielle Infektionserreger gleich einer Visitenkarte über Erreger, die auf der Station auftreten. Aber wiederum gelangen diese nicht direkt zum Patienten. Es macht keinen Sinn, wie gelegentlich auch von Krankenhaushygienikern favorisiert, die Ausgussleitungen thermisch durch Heizdrähte zu desinfizieren.

Steriles Wasser ganz ohne Erreger muss genutzt werden, wenn Wasser mit physiologischer Weise sterilen Körperhöhlen in Berührung kommt. Beim Warmwassersystem eines Krankenhauses müssen Maßnahmen durchgeführt werden, die eine Erregervermehrung verhindern. Totleitungen, das heißt Leitungen, an deren Ende kein Ablauf ist, sind daher zu vermeiden. Sie entstehen, wenn beispielsweise ein Raum umfunktioniert und das Waschbecken nicht mehr benötigt wird. Stagnationen im Leitungssystem durch überdimensionierte Rohrquerschnitte oder sehr seltene benutzte Leitungen müssen ebenso vermieden werden.

Zusätzlich wird ein systemisch wirkendes Desinfektionsverfahren zur Erregerabtötung eingesetzt. Es existieren verschiedene chemische Verfahren wie Chlorung, Monochloramin- oder Chlordioxidbeifügung, Kupfer-Silber-Ionisation oder die Behandlung mit Ozon. Teilweise sind die Verfahren nicht zugelassen – nämlich dann, wenn eine nach der Trinkwasserverordnung toxische Substanz zugegeben werden muss oder die Anwendung eines Verfahrens zur Überschreitung bestehender Grenzwerte führt.

Die Erhitzung des Warmwassers auf 60 Grad kommt ohne Chemikalien aus. Bei dieser Temperatur vermehren sich die Erreger nicht mehr. Es besteht aber Verbrühungsgefahr. Die Temperatur des kalten Wassers muss unter 20 Grad liegen, da oberhalb dieser Temperatur das Erregerwachstum verstärkt einsetzt. Oft bedingen sich die Temperatur von Warm- und Kaltwasserleitung, wenn Leitungen ungedämmt nebeneinander verlaufen. Da immunschwache Patienten, wie knochenmark- oder organtransplantierte Patienten, im besonderen Maße gefährdet sind, wird für sie das Infektionsrisiko durch die Installation von endständigen Wasserfiltern minimiert. Die regelmäßig zu wechselnden Filter werden am Handwaschbecken- und Duschkopf installiert und halten Erreger bei einer Porengröße von 0,2 Mikrometern zurück.

An einer neuen bundeseinheitlichen Badewasserverordnung wird seit Jahren gearbeitet. Aber auch die bestehenden ländereigenen Ausführungsvorschriften stellen sicher, dass Nutzer von Hallen- und Freibädern oder hoteleigener Whirlpools nicht durch Verunreinigungen oder Bakterien anderer Badegäste gefährdet sind. Dafür sorgt unter anderem das Chlor. Die Konzentration an freiem Chlor darf maximal 0,6 Milligramm je Liter betragen und wird individuell unterschiedlich als störend oder Schleimhaut reizend empfunden. Fäkale Erreger oder Legionellen dürfen nicht nachweisbar sein.

Eine Infektionsgefahr geht nicht von Schwimmbeckenwasser sondern wegen der höheren Temperaturen eher von Whirlpools oder den Duschen aus. Eine Kontamination der Duschen im Schwimmbad stellt jedoch für 99 Prozent der Besucher kein Risiko dar. Eine vorübergehende Schließung, zum Beispiel die der Berliner Schwimmbäder im Jahr 2001 wegen des Legionellen-Nachweises im Duschwasser, war eine überzogene Reaktion. Denn: Außer einer thermischen Desinfektion wurde zunächst keine grundlegende Änderung durchgeführt.


Ein glasklarer Badesee in Südschweden in der Nähe der Stadt Växjö
mit einer rötlichen Einfärbung aufgrund eines stark eisenhaltigen Bodens
Foto: Weist


Die EG-Badewasserrichtlinie gibt Grenzwerte für fäkale Verunreinigungen in Oberflächenwasser (Badeseen, Flüsse) vor, die zum Baden genutzt werden und von öffentlichen Stellen besonders in den Sommermonaten kontrolliert werden. Da aber fäkale Verunreinigungen sowohl durch schwimmende Menschen als auch durch badende Tiere geschehen, wird hier ein höherer Gehalt von fäkalen Erregern akzeptiert (bis maximal zehn pro Milliliter). Die Reinigung des Wassers erfolgt durch Verdünnung beziehungsweise den Wasseraustausch bei fließenden Gewässern. Jeder Badegast entscheidet individuell, ob er im Schwimmbad oder in freien Oberflächengewässern wie Seen und Flüssen ins Wasser springt. Das Verschlucken oder gar Trinken des Wassers ist in beiden Fällen nicht zu empfehlen – weder im Columbia-Bad noch im Wannsee.

Literatur

Anaissie E J, Scott R P, Dignani C. 2002: The hospital water supply as a source of nosocomial infections. A plea for action. Arch Intern Med; 162: 1483-1492

Colwell RR, Huq A, Islam MS, Aziz KM, Yunus M, Khan NH, Mahmud A, Sack RB, Nair GB, Chakraborty J, Sack DA, Russek-Cohen E. 2003: Reduction of cholera in Bangladeshi villages by simple filtration. Proc Natl Acad Sci U S A 100:1051-5

Grossart B, Zinn GC, Weist K, Rüden H. 1998: Legionellen: Pro und contra routinemäßige Wasseruntersuchungen. Klinikarzt; 27: 193-196

Rutala, W A., Weber, D J. 1997: Water as a reservoir of nosocomial pathogens 1997. Infect Control Hosp Epidemiol 18: 609-616


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