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Hoffnungen und Befürchtungen

Public Private Partnerships als transnationale Politiknetzwerke


von Marianne Beisheim

Wenn von Netzwerken in der Politik die Rede ist, dann ist damit meist eine Vielzahl miteinander kommunizierender und interagierender politischer Akteure und Institutionen gemeint. In Politiknetzwerken existiert ein Zusammenspiel von öffentlichen Akteuren – wie Ministerien, Kommunen, internationalen Organisationen – und privaten Akteuren, beispielsweise Unternehmen, Interessengruppen, gemeinwohlorientierten Nichtregierungsorganisationen. Diese Netzwerke sind aber nicht mit den „Seilschaften“ zu verwechseln, die in der Presse meist für negative Schlagzeilen sorgen. Die Wissenschaft betrachtet Netzwerke neutral und beschreibt sie als eine Form der Interaktion.

Im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses stehen bei der Analyse dieser Netzwerke vor allem die Akteure, ihre Verbindungen, die Häufigkeit ihrer Interaktion und damit die Knotenpunkte und Strukturen des Netzes. Solche Netzwerke können ganz unterschiedlich aussehen: lose, nichthierarchisch und dezentral oder straff organisiert, eng begrenzt und zielgerichtet. Aufgrund der Globalisierung sind viele Politiknetzwerke heute Mehr-Ebenen-Gebilde, die von der lokalen Ebene über regionale und nationale Verflechtungen bis auf die globale Ebene reichen. Die Analyse des Netzwerks geht davon aus, dass die Eigenschaften des Netzwerks das Verhalten der Netzwerk-Akteure beziehungsweise auch die Ergebnisse ihrer Interaktionen erklären helfen.

Eine besondere Form von Netzwerken sind transnationale „Public Private Partnerships“ (PPP). Transnationale PPP sind Formen öffentlich-privater Kooperation im internationalen Raum, die sich verschiedene Aufgaben bei der Politikformulierung oder -implementierung zum Ziel gesetzt haben. Beispielsweise verhandeln und setzen solche transnationalen PPP Normen und Regeln mit bindendem Charakter für ihre Mitglieder – wie etwa die „World Commission on Dams“: In diesem Fall formulierte ein transnationales Netzwerk aus Repräsentanten von Regierungen, des privaten Sektors, internationaler Finanzinstitutionen, Organisationen der Zivilgesellschaft und betroffener Menschen internationale Standards für die Planung, den Bau, den Betrieb und die Überwachung von Großstaudämmen. Andere PPP implementieren zwischenstaatlich verhandelte und vereinbarte Ziele und setzen sie in Form von Projekten vor Ort in die Wirklichkeit um. Beispiele hierfür finden sich etwa in der Entwicklungszusammenarbeit.

Bis 2015 soll die Anzahl der Menschen ohne Trinkwasserzugang halbiert werden
Foto: photocase

Netzwerke beziehungsweise Partnerschaften haben den Ruf, Projekte besonders wirksam und effizient auszuführen, da verschiedene Akteure ihre spezifischen Ressourcen in die Arbeit einbringen, wovon alle Beteiligten profitieren. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Mittel, sondern auch darum, die Innovationsfreudigkeit des Marktes, die guten Kontakte zivilgesellschaftlicher Gruppen zur lokalen Bevölkerung oder den privilegierten Zugang öffentlicher Akteure zu Regierungsorganisationen im Partnerland optimal miteinander zu kombinieren. Neben diesem optimalen Einsatz von Ressourcen verspricht man sich von Partnerschaften, politische Ziele konfliktfrei umzusetzen: Wenn beispielsweise in Partnerschaftsprojekten von Anfang an die Adressaten von Regeln oder Projekten – meist private Unternehmen oder auch lokale Kommunen – in die Entscheidungen einbezogen werden, so kann dies zu einer vergleichsweise hohen Legitimität des Verfahrens führen und spätere Konflikte vermeiden helfen. Kritiker unterstellen jedoch gerade informellen Politiknetzwerken eine Neigung zur Intransparenz und befürchten in diesem Zusammenhang auch eine verstärkte Korruptionsgefahr. In breiten nichthierarchischen Netzwerken kann Verantwortung leicht verschleiert und verschoben werden. Hier gilt es, in der empirischen Forschung genau hinzusehen. Doch wo spielen PPP in der Politik eine Rolle? Wo kommen sie überhaupt zum Einsatz?

Information:

Das politikwissenschaftliche Projekt „Erfolgsbedingungen transnationaler Public Private Partnerships in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und Soziales“ ist Teil des seit Januar 2006 arbeitenden Sonderforschungsbereichs 700 „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit: Neue Formen des Regierens?“. Das an der Freien Universität Berlin angesiedelte Forschungsprojekt thematisiert die Bedingungen für die Institutionalisierung und den Erfolg transnationaler Public Private Partnerships. Fokus sind dabei die Entwicklungs- und Transformationsländer und deren Herstellung von Gemeinschaftsgütern in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und Sozialrechte. Die Arbeitshypothesen des Projekts stammen aus rationalistischen und konstruktivistischen Theorien der internationalen Beziehungen. Langfristig soll die Untersuchung der PPP dazu beitragen, PPP als Instrument zur Lösung von Problemen zu verbessern und die Legitimität von Global Governance zu erhöhen. Das Leitungsteam bilden Prof. Dr. Thomas Risse, Dr. Marianne Beisheim und Dr. Andrea Liese;
Dr. Anna Holzscheiter und Dr. Cornelia Ulbert sind Beraterinnen, ­Sabine Campe, Christopher Kaan und Marco Schäferhoff sind wissenschaftliche Mitarbeiter des Projekts. Siehe auch:
www.sfb-governance.de/teilprojekte/projektbereich_d/d1/index.html

Im Jahr 2000 einigte sich die internationale Staatengemeinschaft auf einem Gipfeltreffen der Vereinten Nationen in New York auf die Entwicklung von Millenniumszielen, die sogenannten Millennium Development Goals (MDG). Bis 2015 sollten vor allem in der Entwicklungs- und Umweltpolitik erhebliche Fortschritte zugunsten der Armen und Schwachen erreicht werden.

MDG 1 Den Anteil der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut und Hunger leidet, halbieren
MDG 2 Allen Kindern eine Grundschulausbildung ermöglichen
MDG 3 Die Gleichstellung der Geschlechter und die politische, wirtschaftliche und soziale Beteiligung von Frauen fördern, besonders in der Ausbildung
MDG 4 Die Kindersterblichkeit verringern
MDG 5 Die Gesundheit der Mütter verbessern
MDG 6 HIV/AIDS, Malaria und andere übertragbare Krankheiten bekämpfen
MDG 7 Den Schutz der Umwelt verbessern
MDG 8 Eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufbauen

Zwei Jahre später wurden PPP auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg als besonders geeignete Instrumente benannt, um diese MDG umzusetzen. „Type II Agreements“ sollen bei der Verwirklichung der Ziele helfen – im Gegensatz zu den „Type I Agreements“ zwischen Staaten handelt es sich hier um freiwillige Vereinbarungen zwischen offiziellen Stellen und privaten Akteuren. Vor allem internationale Organisationen wie die Weltbank, das Entwicklungsprogramm United Nations Development Programme (UNDP) oder das Umweltprogramm United Nations Environment Programme (UNEP) der Vereinten Nationen haben sich in den letzten Jahren stark im Rahmen von PPP engagiert. Sie möchten über PPP neue Finanzquellen erschließen und private Partner direkt – also unter Umständen auch an den Mitgliedsstaaten der internationalen Organisationen vorbei – in die Umsetzung ihrer politischen Ziele einbeziehen. Auch in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit betonen die Beteiligten angesichts der knappen öffentlichen Mittel die Bedeutung privater Ressourcen bei der Umsetzung der Millenniumsziele. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) initiierte und kofinanzierte verstärkt öffentlich-private Entwicklungspartnerschaften. Der Jahresbericht 2005 spricht von mehr als 2000 PPP-Maßnahmen seit 1999 mit einem Gesamtvolumen von mehr als 10 Milliarden Euro für Entwicklungspartnerschaften. Viele dieser Initiativen sollen helfen, die Millenniumsziele umzusetzen.

Gerade im Politikfeld „Wasser“ spielen die PPP eine besondere Rolle. Weltweit haben circa 1,1 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 2,6 Milliarden keinen Zugang zu sanitären Anlagen. Laut der MDG soll die Anzahl der Menschen ohne Trinkwasserzugang bis 2015 halbiert werden und bis 2025 der Zugang zu Trinkwasser für alle Menschen gewährleistet sein. Auch die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sanitären Anlagen soll bis 2015 halbiert werden.

Der politische Wille ist also zumindest auf dem Papier vorhanden – es steht jedoch die Umsetzung aus. Sollen diese Ziele erreicht werden, müsste durchschnittlich jeden Tag 280.000 Menschen Zugang zu sauberem Wasser ermöglicht werden. Dafür wären schätzungsweise mindestens elf Milliarden US-Dollar jährlich an zusätzlichen Investitionen nötig. Auch aus diesem Grund werden PPP und die finanziellen und sonstigen Ressourcen der Privatwirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Wasser hoch gehandelt.

In der politischen Diskussion werden hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen dem Staat und der Privatwirtschaft allerdings unterschiedliche Akzente gesetzt. 1992 wurden während einer internationalen Wasser- und Umweltkonferenz in der irischen Hauptstadt Dublin die vier sogenannten Dubliner Prinzipien verabschiedet. Das vierte Prinzip definiert Wasser als Wirtschaftsgut: Wasser habe einen wirtschaftlichen Wert und solle als wirtschaftliches Gut betrachtet werden. Dies sei eine entscheidende Voraussetzung, so das Prinzip, um eine effiziente und gerechte Nutzung herbeizuführen.

2002 verabschiedete der Ausschuss der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte den Allgemeinen Rechtskommentar Nr. 15. Dort wird ein „Menschenrecht auf Wasser“ bestätigt und die nationalen und internationalen Verpflichtungen des Staates betont, das Menschenrecht auf sauberes und bezahlbares Wasser zu schützen. Entwicklungsgruppen betonen auf dieser Grundlage, dass Wasser kein Wirtschaftsgut, sondern ein öffentliches Gut sei. Allerdings lässt der Kommentar sehr wohl eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft bei der Wasserversorgung zu, die Letztverantwortung liege jedoch beim Staat.

Erste negative Erfahrungen mit allzu raschen und wenig durchdachten Privatisierungen in der Wasserwirtschaft hatten heftige Kritik entfacht sowohl bei der lokalen Bevölkerung als auch bei der internationalen Zivilgesellschaft. Die Folge: Man begann, in der Entwicklungszusammenarbeit reine Privatisierung oder mangelhaft konzipierte Konzessionen durch öffentlich-private Partnerschaften zu ersetzen, die zukünftig besser vorbereitet, durch Verträge abgesichert und begleitend evaluiert werden sollen. Statt rein bilateraler Partnerschaften zwischen einer lokalen Kommune und einem internationalen Wasserkonzern sollen nun sogenannte Multi-Sektor-Partnerschaften auch Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Gruppen vor Ort einbeziehen. Diese Netzwerke sollen Synergien freisetzen und erfolgreiche Projekte ermöglichen.

Ein Beispiel für eine solche Partnerschaft ist die noch relativ junge Initiative Water and Sanitation for the Urban Poor (WSUP), an der die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beteiligt ist. Diese transnationale PPP fokussiert eines der gravierenden Probleme in Entwicklungsländern: die Versorgung der wachsenden Bevölkerung in stadtnahen Slums und sogenannten informellen Siedlungen mit sauberem Trinkwasser und einer funktionierenden Abwasserentsorgung. Beteiligt sind privatwirtschaftliche Akteure (RWE Thames Water, Unilever, Halcrow Group), aber auch NGO ­(CARE Int. UK, WaterAid, WWF, Water for ­People) sowie als Beobachter das United Nations Development Programme und die International Water Association. Erste Pilotprojekte sind zurzeit im indischen Bangalore, in Kenia und in Madagaskar geplant.

Die Initiative WSUP ist der zentrale „Netzwerker“. „Meta-Partnerschaften“ wie WSUP bieten ein Rahmen-Netzwerk, in das die eigentliche Wasserpartnerschaft vor Ort eingebettet ist. WSUP implementiert also nicht selbst Projekte vor Ort, sondern vernetzt zunächst Partner und Geldgeber für Projekte. Dann werden mögliche Projekte in Entwicklungsländern lokalisiert und in Kooperation mit Behörden, Versorgungsunternehmen und anderen örtlichen Organisationen vorbereitet.

Dies ist ein weiterer Vernetzungsschritt, der von Anfang an die Einbeziehung von Stakeholdern vor Ort gewährleisten soll – also allen, die ein berechtigtes Interesse am Projekt haben oder von ihm betroffen sind. Innerhalb des Netzwerks finden Verhandlungen statt, es werden Daten erhoben, Verträge geschlossen und Projekte schließlich verwirklicht. Kommt das Projekt zustande, wird von Mitgliedern der WSUP ein Konsortium gegründet, das die Umsetzung steuert und kontrolliert. Da in vielen Entwicklungsländern ineffiziente Betreiber- und Verwaltungsstrukturen, überforderte Kommunen, Korruption und politische Einflussnahme die Umsetzung und Kontrolle von Vorhaben erschweren, sollen begleitend lokale Kapazitäten und staatliche Strukturen aufgebaut werden – im entwicklungspolitischen Zusammenhang spricht man hier von der Förderung von Good Governance. Lokale Partner sollen von Anfang an in das Projekt einbezogen werden, um vor Ort nachhaltige und lokal verwaltete Infrastrukturen und Versorgungsbetriebe aufzubauen.

Bis 2025 soll der Zugang zu Trinkwasser für alle Menschen gewährleistet sein
Foto: Mediathek des Bayrischen Umweltministeriums

Ziel der Initiative WSUP ist es, langfristig ein Modell für nachhaltig erfolgreiche Wasserpartnerschaften zu entwickeln. Gerade Netzwerke bieten gute Voraussetzungen dafür, eine beständig lernende Institution zu sein, denn hier lernen die verschiedenen Partner unter- und voneinander. Wie viele andere transnationale Partnerschaften steht die Initiative jedoch erst am Anfang, und es bleibt abzuwarten, ob sich dieses Modell bewährt.

Die Forschung zu PPP steht in enger Verbindung zu Untersuchungen „globaler Politiknetzwerke“ oder zur „Netzwerk-Governance“. „Governance“ – begrifflich im Gegensatz zu „Government“ – hebt dabei darauf ab, dass kollektiv verbindliche Regelungen auch von anderen Akteuren als von staatlichen Stellen gesetzt werden können. Auch private Akteure oder die Kombination aus privaten und öffentlichen Akteuren können – gemeinsam als Politiknetzwerk oder in einer Partnerschaft – auf freiwilliger Basis Regeln aufstellen oder gewisse Gemeinschaftsgüter erbringen, die bislang der Staat für seine Bürger bereitgestellt hat.

Die Frage nach den Erfolgsbedingungen solcher innovativer Governance-Formen beschäftigt einen Sonderforschungsbereich an der Freien Universität Berlin. Insbesondere für „Räume begrenzter Staatlichkeit“, also für Länder, in denen der Staat kaum handlungsfähig ist, stellt sich die Frage, wie hier effektiv und legitim regiert werden kann und wie die Bürger mit bestimmten Gemeinschaftsgütern versorgt werden – sprich: wie Governance ohne Staat stattfindet.
Literatur

Beisheim, Marianne/Liese, Andrea/Ulber, Cornelia: Governance durch Public Private Partnerships in schwachen Staaten, in: Beisheim, Marianne/Schuppert, Gunnar Folke (Hrsg.): Staatszerfall und Governance. Baden-Baden: Nomos, S. 326–345

Benner, Thorsten/Ivanova, Maria H./Streck, Charlotte/Witte, Jan Martin 2003 (Hrsg.): Progress or Peril? Partnerships and Networks in Global Environmental Governance. The Post-Johannesburg Agenda, Berlin: Global Public Policy Institute.

Börzel, Tanja A./Risse, Thomas 2005: Public Private Partnerships: Effective and Legitimate Tools of International Governance?, in: Grande, Edgar/Pauly, Louis W. (Hrsg.): Complex Sovereignty: Reconstituting Political Authority in the Twenty-First Century, Toronto: Toronto University Press; S. 195–216

Campe, Sabine/Schäferhoff, Marco/Kaan, Christopher 2006: Transnational Public Private Partnerships in International Relations. Making Sense of Concepts, Research Frameworks and Results. Unpublished SFB-Working Paper.

Meckling, Jonas 2003: Netzwerkgovernance. Corporate Citizenship und Global Governance. WZB-Discussion Paper P 2003–2006, Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

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